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Der faszinierende Reichtum an Resonanz
Manch einer "hört" eine CD schon, bevor sie der CD-Player mit dem kleinen Tablett, auf das er sie sorgfältig und erwartungsvoll legt, in sich hineinsaugt! Diesmal liegt allerdings keine Klassik-CD vor, die Klang-Antizipation einer Komposition von Bach oder von raumfüllenden Orchester-Klängen nahe legt. "Lichtungen", in zartem Rosa mit aufgehelltem Mittelstreifen gedruckt, und eine in glühendem Rot am Horizont eines unendlich scheinenden, tiefblauen Meeres untergehende Sonne, die dem sich verdunkelnden Himmel mit einer winzigen Mondsichel Platz macht, stimmen den Betrachter einem auf die "Einladung zur Stille". "Lichtungen" hellen das Dunkel auf, nicht blitzartig, sondern als Teil der Dämmerung. In einen dunklen Wald gehend zieht mich eine Lichtung an: Dort ist das Grün heller, satter, der Boden weicher, der Blick zum Himmel frei, Sonne und Erde im Wechselspiel von Hell und Schatten, Wärme und Kühle verbunden. Noch zögere ich, den „Start-Knopf“ für die wartende CD zu drücken. Diese vor-akustische Annäherung an die „Piano-Improvisationen“ wird mein Hörerlebnis unumkehrbar machen. Wie das ist, wenn man ohne die eingehendere Betrachtung der Verpackung und des beiliegenden Heftchens – das ein lesenswertes Essay über „ Musik und Träume“ von Matthias Roth enthält – gleich die Musik hört, muss jemand Anderes erzählen. Mit stimmungsreichen, künstlerisch beeindruckenden, assoziativen Bildnissen – „ Photos“ wäre zu platt! – wird zu Beginn des Begleitheftes eine visuell stimulierte Erwartungsbereitschaft auf die „Tracks“ der CD gefördert. Der Autor der CD hat sie selbst mit der Kamera „eingefangen“ und es wäre interessant zu erfahren, ob er sie als „Partitur“ für die Improvisationen nutzte. Aber das ist nicht eigentlich wichtig. Die Improvisationen entstehen durch Gestaltungsimpulse aus dem erfüllten Augenblick und ermöglichen uns, den Betrachtern und Hörern, im goetheschen Sinne in seiner sinnlichen Vielfältigkeit zu verweilen. – „Am Ursprung der Sehnsucht“ – „Trauer“ – „Die Entdeckung der Langsamkeit“ – „Zwischen Himmel und Erde“ sind einige der Klangbilder benannt. Sie knüpfen an vertraute Hörerfahrungen an: Arpeggien über einen (fest)haltenden „Grundton“ vermitteln vorwärts drängende, sich lösen wollende Bewegungen; virtuos perlende Töne der rechten Hand ziselieren über dem von der linken gebotenen akkordischen Fundament das Thema Lebendigkeit und Vergänglichkeit; Spieler und Instrument eröffnen und erschließen den faszinierenden Reichtum an Resonanz, imaginierter Mitgestaltung und kreativer Anregung beim Hörer, der durch die Titel- und Bildvorgabe „eingestellt“ ist. Es mag sein, dass sich die „Bilder“ auch ohne diese Vorbereitung erschließen. Die Aussage des Werbetextes, dass diese Musik „in eine Welt der Meditation, Heilung; Entspannung und innere Ruhe“ „entführe“, halte ich aus (musik-)therapeutischer Sicht für gewagt. „Musik ist reine Energie“ titelt Fritz Hegi seine persönlichen Erfahrungen mit der CD, und dies lässt sich wohl selten in vorher bestimmte Ziele lenken. Aber zweifellos ist sie als Stärkung auf dem Weg spürbar!
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